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URL: http://www.welt.de/print-welt/article708257/Erfolgsformel_fuer_die_Arztpraxis.html
13. Januar 2007, 00:00 Uhr
Von Birgitta vom Lehn

Erfolgsformel für die Arztpraxis

Gute Organisation, zusätzliche Qualifikationen und ein solides Familienleben verhelfen niedergelassenen Medizinern noch immer zum Erfolg
Wenn man sich selbstständig macht, dann aus innerer Überzeugung heraus und nicht weil man auf die Statistik schielt", sagt Martin Lang. Der 43-Jährige betreibt seit zehn Jahren eine Kinderarztpraxis in Augsburg. Genauer gesagt: zwei Praxen. "Eine normale Kassenpraxis und mittwochnachmittags und abends eine Homöopathiepraxis für Privatpatienten." Der Bedarf nach Naturheilkunde und Akupunktur sei enorm, der Zulauf "sehr hoch". Von 40 Kinderarztpraxen in Augsburg, das mit 240 000 Einwohnern als Großstadt zählt, hätten sich gerade mal zwei auf Homöopathie spezialisiert. Vom Geburtenrückgang hat Lang bislang "nichts gespürt".
"Als ich die Praxis übernahm, kamen 30 Patienten am Tag, heute sind es 140." Täglich müsse er etwa fünf Neuzugänge abweisen. Doch der Kinderarzt ist trotzdem nicht glücklich: "Das Budget bestraft den, der viel arbeitet." Auch wenn es "einen Heidenspaß" mache mit den Kindern - abends überkommen ihn Frust und Sorge. Von 140 auf 300 Quadratmeter hat er seine Praxis in dem Jahrzehnt verdoppelt, neun Mitarbeiterinnen eingestellt. "Alles Frauen, die selbst Kinder haben und deshalb gut für den Job geeignet sind."
Aber um Personalabbau komme er demnächst wohl nicht herum. "Das tut schon weh." Seine eigene Frau arbeitet ebenfalls mit in der Praxis, gratis. Als ehemalige Lehrerin kehrte sie nach der Familienpause - das Paar hat drei Kinder - der Schule den Rücken und führt seitdem kostenlos Schulreifetests durch. "Das findet sonst bei den Ämtern oder in der Schule relativ oberflächlich statt. Meine Frau nimmt sich Zeit dafür. Das ist ein zusätzliches Bonbon, das wir anbieten." Was rät Lang potenziellen Nachahmern? Man müsse bereit sein, die ganze Woche zu arbeiten, auch am Wochenende, wenn die Büroarbeit erledigt werde. Und man müsse sich klar darüber sein, dass auf die Ärzte eine "Fragebogenmedizin" zukomme: Die Patienten würden "nur noch abgehakt". "Der Trend weg von der Dienstleistung hin zur Bürokratisierung wird leider als Qualitätssteigerung verkauft", kritisiert Lang. Dabei müsste gerade angesichts "massiver psychischer und erzieherischer Probleme bei Kindern" mehr statt weniger Zeit investiert werden, findet er. Immerhin: Lang ist optimistisch, dass er seine "Nische halten" kann. In Sachen Eigen-PR kann er demnächst auch ein Buch vorweisen: Im Februar erscheinen "100 Elternfragen. Die Gesundheit Ihres Kindes". Das hat Lang zusammen mit einer Ratgeber-erprobten Journalistin geschrieben.
Werbung in Form von Mund-zu-Mund-Propaganda hält auch Guido Schwalm für "das A und O". Der 39-jährige Zahnarzt hat sich auf die in Deutschland noch nicht sehr verbreitete, in der Schweiz und den USA aber seit langem praktizierte Wurzelkanalbehandlung (Endodontie) spezialisiert. Dafür habe er "extrem viel Geld" in Internetwerbung gesteckt. Er betreut sechs Kindertagesstätten, auch das erhöht den Bekanntheitsgrad. Seit sieben Jahren betreibt er seine Praxis in Rosbach "im Speckgürtel von Frankfurt".
Bereits im ersten Jahr der Praxisübernahme habe er den Umsatz verdoppelt. "Aber ich habe Schulden. Von Heiraten, ein Haus bauen und ein Kind in die Welt setzen kann keine Rede sein, so gern ich das auch täte." Die Kunst bestehe für ihn darin, "bei Kassenpatienten die Bereitschaft zu erzeugen, etwas dazuzuzahlen." Schließlich gehe die Schere zwischen dem, was einerseits technisch und medizinisch machbar und andererseits finanziell möglich sei, immer weiter auseinander.
Thomas Dannecker vom Freiburger Ärzteconsulting rät, sich nur dann selbstständig zu machen, wenn die Organisation wirklich Top ist: "Von der Standortfrage übers Gebäude und Marketing bis hin zum Internetauftritt muss alles stimmen. Wenn die Praxis nicht gut läuft, liegt es meist am Arzt selbst: Einzelkämpfer mit breiter Brust, die mittwochnachmittags gern Tennis spielen und Mercedes fahren, haben den Zug der Zeit verpasst." Ärzte zeigten sich zudem oft beratungsresistent: "Sie sind nicht gewohnt, sich helfen zu lassen. Entsprechend verbreitet sind Burn-out-Syndrom und Alkoholsucht."
Viele wirtschaftliche Probleme, über die Ärzte klagen, bezeichnet Manfred Kirsch von der Ärzteberatung KWP Consult in Goslar als hausgemacht: "Bei männlichen Ärzten liegt die Scheidungsrate bei 50 Prozent. Sie haben im Schnitt mehr Kinder mit mehreren Frauen als der Normalverdiener und müssen entsprechend viele Alimente zahlen." Ein solides Familienleben bezeichnet Kirsch daher schon mal als "gute Basis".
Unerlässlich seien auch fachliche Zusatzqualifikationen, etwa Akupunktur oder Allergologie für den Hals-Nasen-Ohren-Arzt. "Man muss zumindest die Leistungen des Vorgängers berücksichtigen. Wenn man weniger anbietet, darf man sich nicht wundern, wenn niemand kommt."
Ein großes Manko sei, dass Mediziner sich zu sehr auf die Universitätsstädte, vor allem im Süden, konzentrieren. Kirsch: "Das Musical-Theater muss um die Ecke sein. Dabei gibt es viele Praxen auf dem Land, die lukrativ sind, gerade in den neuen Bundesländern. Wenn die Praxis gut aufgestellt ist, kann man da ein Schnäppchen machen."
 
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